Veilchen für Irre
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Eine natürliche Scheu vor Menschen, die kostbare Lebenszeit damit verbringen, mittels feinster Marderhaarpinsel Veilchenblüten sorgsam rundherum mit einer Substanz zu überziehen, mit der bereits die alten Ägypter Leichen einbalsamierten, sollte verständlich sein. Ich persönlich wäre zumindest ein bisschen skeptisch, gleichwohl aufgrund angeborener Neugier doch auch interessiert an derlei irrem Tun. Wessentwegen ich mich in eine Apotheke begab, um diese historische Substanz zu erwerben.
Für die hatte sich offenbar bereits seit Apothekergenerationen kein Mensch interessiert, und wären Apotheken nicht Horte penibler Reinlichkeit, so wäre die Pharmazeutin wohl staub- und spinnwebenbedeckt aus den Tiefen der Speicher zurückgekehrt. War sie aber nicht, als sie, das letzte Fläschchen des Gummiarabikum-Pulvers hoch in Handen, triumphierend zur Kassa schritt.
Daheim mischte ich die geheimnisvolle Substanz, bei der es sich übrigens um den getrockneten Pflanzensaft einer afrikanischen Akazienart handelt, mit lauwarmem Wasser und begab mich, während das Zeug zu einer Art dünnem Kleister quoll, in den Garten. Dort pflückte ich Veilchen. Es standen viele zur Auswahl. Denn Veilchen sind ein hübsches, in vielen Arten und Sorten alles überwucherndes Unkraut. Ich wählte lila und rotlila Spielarten sowie eine reizende weiß-violette Sorte. Sodann kramte ich den mittleren unter den Aquarellpinseln hervor.
Der hatte seinerzeit bereits die Rundungen fröstelnder Akte verewigt - von meiner kundigen Hand selbstredend in genialischen Strichen geführt, oder vielleicht auch nicht, egal, jetzt umkurvte er geschmeidig die bei genauer Betrachtung ausnehmend komplizierte Geographie der Veilchenblüten. Ein Erlebnis! So was von einer wunderbaren Anatomie war selten. Die Natur, sie ist unvergleichlich und wert, bis hinab in mikroskopische Blütenabgründe studiert zu werden.
Doch zurück zur Sache: Kandieren Sie Veilchen stets nur mit Marderhaaraquarellpinseln, das sag ich Ihnen, und ich bin ein Profi. Denn nach dieser faszinierenden Mikrolackiererei bestäubte ich die Blüten hauchzart mit feinem Zucker, trocknete die Angelegenheit bei exakt 60 Grad im Rohr und sprang sodann augenblicklich in höchster Gespanntheit vor den Computer, um vergleichende Bildanalysen via Internet anzustellen.
Resultat: Meine kandierten Veilchen halten jedem, aber wirklich jedem Vergleich stand. Keine dicklichen Verklebungen, vielmehr voll erhaltene Formen, durchschimmernde Lilavioletttöne, wie es sich gehört. Sie sind eine Augenweide auf allen Gebäcken und Torten. Dass es sich dabei um nichts anderes handelt als um kleine einbalsamierte Veilchenmumien, ist egal, was meinen Sie?
Kandierte Veilchen
Die werden seit ein paar Jahrhunderten von Verrückten hergestellt, das Veilchenkandierzentrum liegt dabei in Toulouse, Frankreich. Die violetten Zückerchen waren seinerzeit Kaiserin Sisis Lieblingsnascherei. Suchen Sie große, schöne Blüten, mischen Sie ein, höchstens zwei Esslöffel Gummiarabicum-Pulver mit Wasser zu einer pinseltauglichen, nicht zu zähen Kleisterkonsistenz und gehen Sie wie oben beschrieben vor. Keine aromatischen Sensationen erwarten - der Schwerpunkt beim Veilchenkandieren liegt in der Schönheit.
Veilchenzucker
Veilchenzucker besticht durch seine Farbe. Die Veilchenblüten werden ohne grüne Stängelansätze getrocknet und zu mehlfeinem Pulver vermahlen. Menge je nach Belieben. Dann kommt das Veilchenmehl in feinen Kristall- oder in Staubzucker. Schaut hübsch aus, etwa wenn damit Schlagobers gefärbt und parfümiert, oder der Zucker über Gebäck gestäubt wird. Aus Veilchen kann man übrigens auch Tees bereiten. Soll gut bei Husten sein.